Prof. Dr. med. Dirk Rades ist Direktor der Klinik für Strahlentherapie am Campus Lübeck des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Seit 1997 ist er im Fachbereich Strahlentherapie tätig, ist Mitglied in einer Vielzahl von nationalen und internationalen Fachgesellschaften, wirkt in Gremien und Vorständen mit, ist Mitglied im Editorial Board diverser Fachzeitschriften und hat selbst eine Vielzahl wissenschaftlicher Artikel publiziert. Seit fast einem Jahrzehnt engagiert sich Prof. Rades in grenzübergreifenden deutsch-dänischen Interreg-Projekten.
Trotz seiner imponierenden Arbeitsleistungen, seiner Position und seines akademischen Status – eigentlich sind ihm Titel gar nicht so wichtig. In der Zusammenarbeit mit den Interreg-Projektpartnern in Dänemark ist er einfach nur Dirk Rades. Vielleicht auch, weil es die Dänen nicht so sehr mit Titeln haben.
Dirk Rades kennt Dänemark schon lange. „Das ist locker 40 Jahre her. Ich war dort als Student gemeinsam mit anderen Studenten. Auch meine Eltern sind zwei Mal im Jahr dorthin gefahren und haben dort Urlaub gemacht. Da war ich dann gelegentlich dabei, und später dann auch mit meiner Frau einige Male dort.“
Deutsch-dänische Zusammenarbeit
Die letzten Jahre waren dann aber vor allem durch die fachliche Zusammenarbeit mit Dänemark geprägt, auch wenn Interreg-Projekte anfangs völliges Neuland für ihn waren. „Wenn ich ganz ehrlich sein soll, bin ich da erst ein bisschen mitgeschwommen. Es war ja so, dass Niels Henrik Holländer vom Krankenhaus in Næstved an die Klinik für Strahlentherapie in Lübeck herangetreten war und diese Interreg-Projekte ins Spiel gebracht hatte, weil er einen Kooperationspartner auf deutscher Seite brauchte. Diese Projekte hatten wir vorher tatsächlich nicht auf dem Schirm.“
Aus diesen ersten Kontakten entwickelten sich dann die Interreg-Projekte Kræftforsking FehmarnBelt (2011-13), Innocan (2015-18), Changing Cancer Care (2019-21) und NorDigHealth (2019-21). „Die Projekte nehmen einen größeren Teil meiner Arbeitszeit ein, als ich ursprünglich gedacht hatte, auch weil wir ja sehr viele Projekte machen und sehr viele Studien begleiten. Es ist schon sehr zeitaufwändig, aber es macht extrem viel Spaß, und es sind aus meiner Sicht auch sehr sinnvolle Studien, die auch alle trotz Corona ganz gut laufen. Wir haben uns mit den dänischen Kooperationspartnern immer besser verstanden, und es hat sich mit der Zeit ein außerordentlich gutes und konstruktives Verhältnis entwickelt.“
Zwei Projekte, viele Studien
Im Rahmen von Changing Cancer Care werden drei Studien durchgeführt, von denen eine durch die Klinik für Strahlentherapie betreut wird. Diese Studie trägt den Namen Ramses-01 und untersucht eine verbesserte Strahlentherapie zur Behandlung von Wirbelsäulenmetastasen mit Kompression des Rückenmarks. Die beiden anderen Studien im Projekt untersuchen eine neue Methode zur Behandlung von Hautkrebs (Kalzium Elektroporation) und eine verbesserte Diagnostik für Lungenkrebspatienten durch DNA-Untersuchungen (Liquid-Biopsy).
Im Interreg-Projekt NorDigHealth betreut die Klinik für Strahlentherapie gleich mehrere Studien. „Insgesamt haben wir hier jetzt vier Studien am Start, und das ist nicht wenig.“ Eine erforscht, wie sich epileptische Anfälle besser dokumentieren lassen. Die drei anderen Studien betreffen die Behandlung von Krebserkrankten und wie sich die mit der Behandlung verbundenen Nebenwirkungen reduzieren lassen. Dabei geht es um Schlafstörungen bei Patient*innen, die eine Strahlenbehandlung erhalten und um den potentiellen Einfluss von Smartphones darauf. Eine weitere Studie behandelt die frühzeitige Erkennung von Pneumonitis, die als Nachwirkung von Strahlentherapiebehandlungen der Lunge auftreten kann. Die letzte Studie untersucht, wie eine App helfen kann, Nebenwirkungen bei Strahlenbehandlungen im Hals-Kopf-Bereich zu minimieren.
Generell konzentriert sich das Projekt NorDigHealth auf die Möglichkeiten, die der Einsatz neuer und mobiler Technologien in der klinischen und ambulanten Behandlung bietet. Aber trotz allen Fortschritts neuer und digitaler Technologien glaubt Dirk Rades, dass diese Technologien medizinisches Fachpersonal zwar unterstützen aber nicht ersetzen können.
Der Mensch im Mittelpunkt. Neue Technologien und Medizin
„Technik kann mit ihrer Präzision im gewissen Sinne menschliche Schwächen kompensieren und dadurch eine sinnvolle und gute Ergänzung sein – aber natürlich kann sie den Menschen nicht ersetzen. Wichtig sind ja auch die Empathie mit dem zu behandelnden Menschen und ein personalisiertes und individualisiertes Herangehen. Hier kann Technik nur ergänzen und unterstützen.“ Diese Aussage bezieht Dirk Rades besonders auf seinen Arbeitsbereich in der Klinik für Strahlentherapie, wo es einerseits um die Heilung von Patient*innen mit einer guten Überlebensprognose geht, andererseits aber oft auch um palliative Therapien für Patient*innen, wenn diese beispielsweise an weit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen leiden. Letztere machen ca. ein Drittel der in der Klinik behandelten Erkrankten aus. Hier steht nicht mehr die Heilung im Fokus, und man muss erkennen, „dass es nicht darum geht, um jeden Preis das Leben zu verlängern, sondern diesen Menschen auch andere Dinge geben zu können. Das sind Empathie, Zuwendung, Unterstützung, Symptomlinderung.“ Wichtig ist es, die Menschen in dieser besonders bedrohlichen und schwierigen Situation mit der Diagnose Krebs im Rahmen der Möglichkeiten individuell zu unterstützen. „Eine Spezialität von unserer Klinik ist eine hohe Personalisierung und auch Individualisierung der Behandlung. Also wirklich die besondere Situation eines jedem Einzelnen zu berücksichtigen.“
Es geht darum, die Lebensqualität soweit es geht zu verbessern, den Bedürfnissen der Betroffenen entgegenzukommen. Diese Aufgabe stellt für Dirk Rades eine hohe Motivation dar. Dennoch ist diese Aufgabe auch nach vielen Jahren ärztlicher Tätigkeit „teilweise auch bedrückend – immer noch – aber das ist eben die Aufgabe, die ich sehe, das ist ja auch eine gute Motivation für das eigene Leben und für die eigene Daseinsberechtigung, dass man eben versucht, diesen Menschen weitestgehend zu helfen.“
One size doesn’t fit all
Dirk Rades sieht die Verbindung von High Tech und menschlichen Fachpersonal als wichtige Säule für die klinische und ambulante Behandlung. Der menschlichen Zuwendung kommt in einer immer mehr technisierten Welt eine wachsende Bedeutung zu – und das besonders auch in schweren Krankheitssituationen. Durch moderne Techniken können Therapien verbessert und Nebenwirkungen reduziert werden. Wichtig ist dabei aber immer auch die individuelle Anpassung an die betroffene Person. „Früher in der palliativen Strahlentherapie war das ein bissen so: One size fits all. Da wurden alle mehr oder weniger gleich behandelt. Aber den Menschen wirklich individuell zu betrachten, und die Behandlung komplett auf die individuellen Bedürfnisse maßzuschneidern – diese personalisierte Medizin hat ja in den letzten Jahren unheimlich an Fahrt aufgenommen. An dieser Entwicklung bin ich im Bereich der Strahlentherapie seit Jahren beteiligt. Den betroffenen Menschen durch individuelle Behandlungskonzepte helfen zu können, ist ein ganz wesentlicher Faktor, der mich nach wie vor bewegt und antreibt.“